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deine hält. Das ist mein schnell schlagendes Herz,
das du hörst.«
Jane lächelte und blickte sich noch einmal um
⬠ Erinnerungen wachrufen, dachte Michael. Das
hohe, im Wind geneigte Seegras. Die Möwen in
der Luft. Ein blondes Mädchen, das neben dem
Taxistand selbst gemachte Marmelade verkaufte.
Der Taxifahrer hätte ein Bruder des Piloten sein
können, mit dem sie hergeflogen waren. Ein
bodenständiger, todernster Neuengländer ir-
gendwas zwischen sechzig und fünfundachtzig
Jahren.
»So, meine Hübschen, wohin darf ich euch
fahren?«, fragte er.
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»Ins India Street Inn«, antwortete Michael.
»Gute Wahl«, erwiderte er. »Das is⬠"!n
altes Haus von einem Walfängerkapitän.«
Jane lächelte und drückte Michaels Hand.
»Gute Wahl«, wiederholte sie. »Ich liebe
Walfängerkapitäne.«
»Und, ja«, flüsterte ihr Michael plötzlich
ins Ohr, »als Antwort auf eine Frage, die schon et-
was zurückliegt. Ja, ich hatte schon mal Sex.«
EINUNDSECHZIG
Es gab viele Dinge, die Jane und Michael bei ihrer
Fahrt in die Stadt nicht sahen: Schnellrestaurants,
Souvenirgeschäfte und Verkehrsampeln. Sie war-
en im Paradies! Sie sahen ein paar handges-
chriebene Schilder, auf denen für das 10. Wein-
fest von Nantucket oder das 35. Figawi-Renn-
wochenende geworben wurde. Ein guter Auftakt
für ihren Besuch.
SchlieÃxlich hielt ihr Taxi vor dem India Street
Inn.
»Genauso habe ich mir eine ÃSbernachtung mit
Frühstück in Nantucket vorgestellt«, sagte
Jane, als sie durch die Eingangstür traten. Es war
Michaels Idee gewesen ⬠ etwas Einfaches und
Schönes. Nichts ÃSbertriebenes.
Hier war alles aufeinander abgestimmt: rote Ger-
anien in königsblauen Blumenkästen vor den
Fenstern, farbige Quilts an der Wand, Drucke von
Schlittenfahrten in den Fluren und natürlich die
barsche Neuengländerin, der dieses Haus
gehörte.
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»Haben Sie reserviert? Wenn nicht, haben wir
kein Zimmer«, begrüÃxte sie die beiden. »Das
heiÃxt, kein Zimmer im India Street Inn.«
Michael gab »Michaels« als Namen an, dann
wurden sie in den ersten Stock in Suite 21 geschickt.
Dort gab es ein groÃxes Zimmer mit einem breiten
Bett und eine Menge alter Kiefernholzmöbel, an
einer Seite befand sich ein Wandgemälde, und
überall lagen flauschige, weiÃxe Handtücher
herum. Eine Tür des Badezimmers führte in
ein kleineres Schlafzimmer. Miteinander ver-
bundene Schlafzimmer, wie Michael per Telefon re-
serviert hatte.
»Das ist toll«, war alles, was Jane sagte, als sie
die Suite inspizierte.
Sie öffnete im gröÃxeren Schlafzimmer das
Fenster. Als eine kühle Brise ihr Haar zurück-
wehte, dachte Michael, sie hätte nie hübscher
ausgesehen. Gab es etwas Schöneres, als mit Jane
hier zu sein? Er glaubte nicht. Noch nie hatte sein
Herz wegen jemandem so heftig geschlagen. Daran
hätte er sich sicher erinnert.
Jane griff zu einer Broschüre auf dem Schreibt-
isch und begann zu lesen: »⬠ºKaffee im vorderen
Salon ab sechs Uhr früh. Surf-Unterricht in der
abgelegenen Bucht jeden Montag und Donnerstag.
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Fahrradverleih. Sie können auch den Turm der Al-
ten Nordkirche besteigen.⬠¹ Können wir? Ich
würde gerne alles von dem hier machen.«
Er merkte Janes Stimme an, dass sie glücklich
war. Sie spielte nicht das kleine Kind, sondern sie
hatte dieselben wunderbaren Eigenschaften ⬠
Enthusiasmus, Forscherdrang, Unschuld.
Ich liebe sie, dachte er und sagte: »Gut. Alles,
was du willst.«
Und beschloss, es für den Moment dabei be-
wenden zu lassen.
ZW EIUNDSECHZIG
Die Wirtin gab ihnen zwei alte Fahrräder. Nichts
Schickes: dicke Reifen, verrostetes Gestell, Rück-
trittbremsen und viele quietschende Teile. »Die
meisten Touristen glauben, Siasconset ist hübsch
und was Besonderes«, erklärte sie und deutete in
die Richtung des Dorfes. »Weil es tatsächlich
hübsch und was Besonderes ist.«
Jane fuhr voran, Michael folgte ihr die Milestone
Road entlang. Es herrschte nicht viel Verkehr ⬠
hin und wieder ein Jeep, ein Motorrad, ein Fis-
chlieferant, ein groÃxer, ordinärer, taxigelber
Hummer, dann eine Gruppe Kinder auf Fahr-
rädern, die schneller waren als einige der Autos.
»Fröhliche Flitterwochen!«, rief eines der
Kinder. Michael und Jane blickten sich an und
mussten lächeln. Nach acht oder neun Kilometern
kamen sie an einen Lattenzaun, von dem sie einen
Ausblick wie auf die Serengeti in Afrika hatten. Als
Nächstes überquerten sie die Tom Nevers Road,
von der sich ihnen ein Panorama auf die Preisel-
beerfelder bot, am Golfclub von Nantucket blickten
sie über die ausgedehnten Hügel mit dem kurz
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gemähten Rasen, was den Eindruck erweckte,
Golfspielen könnte wirklich SpaÃx machen.
Sie erreichten einen weiteren Hügel, der höh-
er war als der Rest. Auf einem Holzschild in Pfeil-
form stand: »SIASCONSET«. Sie rollten den
Hügel hinab, und da war er ⬠ ein weiÃxer
Strand, der zum Meer abfiel. Michael fragte sich, ob
Jane gewusst hatte, dass die tiefrote Abendsonne in
diesem Augenblick unterging und sie beide in ein
wunderschönes Licht tauchte.
»Sag mir, dass du noch nie so was Schönes
gesehen hast«, verlangte sie, als sie sich in den
Sand setzten.
»Doch, habe ich.« Er blickte in ihre Augen.
»Stopp!«, rief sie lachend und mit rotem
Gesicht. »Sonst verlierst du schon am ersten Tag
hier deine Glaubwürdigkeit.«
»Gut.«
»Nein, hör nicht auf.«
Also legte er seinen Arm um sie und beobachtete
sie aus dem Augenwinkel heraus. Er lebte im
Moment.
Ich liebe Jane, dachte er. Mehr zählt im Mo-
ment nicht.
DREIUNDSECHZIG
Diese Sache mit dem Sex ⬠¦ da passierte nichts in
der ersten Nacht in Nantucket, und ich versuchte,
nicht zu viel daran zu denken, was mir aber nicht
gelang, oder es mir irgendwie nahegehen zu lassen.
Auch das misslang mir aufs Kläglichste.
Früh am nächsten Morgen brachen wir zu
dem angeblich höchsten Punkt der Insel auf, dem
Folger Hill. Wir waren sogar so vernünftig, uns
mit Sonnenblocker einzuschmieren und langärm-
lige Hemden anzuziehen. Ich genoss jede Minute,
jede Sekunde unserer Reise. Auch wenn ich nicht
wusste, was als Nächstes kam, und trotz all der
Fragen, die mir noch auf der Seele brannten, nahm
ich mir meinen eigenen Rat zu Herzen und war von
allem begeistert ⬠ Tag für Tag, Stunde für
Stunde, Minute für Minute.
Die Fahrt auf der Polpis Road kam mir lang vor.
Vielleicht war ich nur müde. AuÃxerdem war der
Himmel bedeckt, und wegen des Nebels kamen die
Fähren, aber auch die Versorgungsboote zu spät.
SchlieÃxlich erreichten wir die kleine Hafenstadt
Madaket. Dort gab es einen Köderladen, einen
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Haushaltswarenladen und einen Treffpunkt, den
Smith⬠"!s Point.
Gegen halb zwölf aÃxen wir Fisch mit Pommes
in einer kaputten Hütte, von der wir zuerst dacht-
en, sie wäre verlassen.
»Woher wusstest du von diesem Ort?«, fragte
ich.
»Bin ich mir nicht sicher. Ich wusste es ein-
fach.«
Vielleicht, um mich diesmal mundtot zu machen,
küsste Michael mich, was mich nie ermüdete.
Dann machten wir uns über den knusprigen,
köstlichen, frittierten Fisch her. Der Koch hatte
ihn in eine Zeitung eingewickelt. Wir sprenkelten
Malzessig über den Kabeljau, und weil Michael
glaubte, man könnte nie genug frittierte Sachen
auf einmal essen, bestellten wir eine Tüte aus
zusammengerolltem Zeitungspapier mit Pommes
ebenfalls mit Essig. Aus der unter freiem Himmel
stehenden Küche drangen Bob-Dylan-Lieder.
Wieder war alles so perfekt und zauberhaft, dass
mir nach Weinen zumute war.
Manchmal erwischte ich Michael, wie er aufs
aufgewühlte Meer blickte. In diesen Momenten
schien er sich wieder forttreiben zu lassen. Ich woll-
te wissen, wohin er ging und was er dachte. Wusste
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er bereits, wann er mich verlassen würde? Ich
schloss die Augen und weigerte mich, darüber
nachzudenken. Dies wollte ich erst wieder tun,
wenn es so weit war.
Es musste wohl unweigerlich passieren. Das Ende
war vorherbestimmt. Michael würde gehen, um
sich irgendwo um ein Kind zu kümmern, viel- [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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