[ Pobierz całość w formacie PDF ]
Tobias ritt noch langsamer, hielt schlie�lich ganz an und
sah sich unschl�ssig um. Alles sah so ver�ndert aus. Er
konnte Buchenfeld erkennen, aber nur, weil der Himmel
�ber der Stadt im roten Widerschein der Fackeln gl�hte.
Er lenkte sein Pferd nach links und ritt quer �ber eines der
abgeernteten Felder, so rasch es die Dunkelheit erlaubte.
Temser und seine Knechte gerieten wieder au�er Sicht, als er
die Stadt in weitem Bogen umging und sich ihr von der ent-
gegengesetzten Seite n�herte.
Obwohl er sehr schnell ritt, war ihm klar, da� er Buchen-
feld erst nach dem Bauern und seinen Begleitern erreichen
w�rde. Gute zwanzig Schritte vor dem Erdwall, der die
Stelle einer Stadtmauer rings um Buchenfeld einnahm,
z�gelte er sein Pferd, stieg ab und lief geduckt weiter. Es
bereitete ihm keine M�he, den Wall zu erklimmen, aber sein
Herz h�mmerte vor Aufregung so wild, als wolle es in seiner
Brust zerspringen. F�r einen Moment mu�te er sich gegen
die absurde Vorstellung wehren, da� das Ger�usch wie
Sandini Sammlung
dr�hnender Trommelschlag �berall in der Stadt zu h�ren
sein mu�te.
Die letzten Meter legte er auf H�nden und Knien krie-
chend zur�ck und pre�te sich, schlie�lich auf der Krone des
Erdh�gels angekommen, fest gegen den Boden.
Tobias konnte nichts sehen, au�er den Schatten der �rmli-
chen H�tten Buchenfelds. Der Feuerschein im Herzen der
Stadt tauchte den Himmel �ber ihm in die Farbe geronnenen
Blutes, und das dumpfe, an- und abschwellende Dr�hnen
324
der Stimmen zwang nun allm�hlich auch seinen eigenen
Herzschlag in einen abgehackten, h�mmernden Rhythmus.
Einige Augenblicke lang lag er einfach da, lauschte und
fragte sich vergeblich, was er nun tun sollte. Er war hilflos.
Er hatte keinerlei Erfahrung in solcherlei Dingen - schlie�-
lich war es nicht seine Aufgabe, sich nachts in eine von
D�monen besetzte Stadt einzuschleichen. Der Gesang -
obwohl er zweifelsfrei aus menschlichen Kehlen stammte -
klang wie eine Musik der H�lle. Sein Rhythmus, dumpf und
monoton und aufpeitschend zugleich, schien direkt aus
Luzifers Reich zu kommen. Und die Worte, die keine Worte
waren, lie�en ihn an heidnische Rituale denken. Er f�hlte
sich in seinen Traum zur�ckversetzt, in dem er Katrin auf
der Waldlichtung begegnet war, und f�r einen kurzen
Augenblick hatte er jetzt wieder das gleiche Gef�hl wie
damals: sich in einem Bereich der Sch�pfung zu befinden, in
dem die Zeit und die Gesetze der Natur und der Menschen
keine G�ltigkeit mehr hatten. Er hatte Angst. Er war fast
wahnsinnig vor Angst. Und doch hatte er gar keine andere
Wahl, als sich diesem h�llischen Licht im Herzen der Stadt
zu n�hern. Er wu�te jetzt, da� sie sich hier versammelt hat-
ten, um Katrin zu t�ten. Diese n�chtliche Prozession konnte
keinen anderen Zweck haben.
Gerade als Tobias all seinen Mut zusammengenommen
hatte, um sich zu erheben, �nderte sich etwas im Klang der
monotonen Stimmen; zugleich verstr�mten auch die Fackeln
ein anderes Licht. Sie brannten jetzt nicht mehr ruhig, son-
dern loderten st�rker, als sich die M�nner, die sie hielten,
wie auf ein geheimes Kommando hin in Bewegung setzten.
War er zu sp�t gekommen? Hatten sie Katrin bereits aus
dem Turm herausgeholt? Brannte der Scheiterhaufen schon,
Sandini Sammlung
auf dem sie geopfert werden sollte?
Tausend schreckliche Gedanken schossen ihm durch den
Kopf, w�hrend er, gel�hmt vor Entsetzen und Angst, voran-
schritt und endlich das Tor erreichte. Er war zu weit von der
Hauptstra�e entfernt, um mehr als eine verschwommene
Masse aus dunklen K�rpern und brennenden, funkenspr�-
henden Fackeln zu erkennen.
325
W�hrend die Prozession langsam und in sicherer Entfer-
nung an Tobias vor�berzog, versuchte er, sich verzweifelt
dar�ber klarzuwerden, was er tun sollte. Er mu�te sich Klar-
heit �ber Katrins Schicksal verschaffen, aber das h�tte
bedeutet, die Stadt zu durchqueren und zum Turm zur�ck-
zugehen. Andererseits w�re genau das v�llig sinnlos.
Obwohl er k�rperliche Gewalt verabscheute und f�rchtete,
traute er sich durchaus zu, es mit einem Mann aufzuneh-
men, wenn er um sein oder um Katrins Leben k�mpfen
mu�te. Aber gegen diese Menschenmenge hatte er keine
Chance.
Pater Tobias begriff mit einer Mischung aus Hysterie und
Entsetzen, wor�ber er da nachdachte. Heiliger Dominikus,
wie weit war es mit ihm gekommen, da� er anfing, solche
Gedanken zu hegen? Was geschah mit ihm, da� er vor k�r-
perlicher Gewalt nur zur�ckschreckte, weil er sich des
Umstandes bewu�t war, da� er den Kampf verlieren w�rde?
Dann wandte er den Blick - und er sah etwas, das ihn f�r
einen Moment sogar Katrin vergessen lie�.
Zwischen den B�umen des Haines im Norden war wieder
dieses unheimlich gr�ne Flackern entstanden. F�r einen kur-
zen Moment konnte er vor diesem Licht die Umrisse eines
Dutzends Reiter erkennen, das sich im gestreckten Galopp
der Stadt n�herte. Dunkle, geduckte Gestalten mit wehen-
den schwarzen M�nteln und bleichen Gesichtern.
Knochengesichtern.
Pater Tobias' Herz machte einen zweiten, entsetzten
Sprung, als er den Kopf in die entgegengesetzte Richtung
wandte und sah, da� die Prozession sich nun direkt auf ihn
zubewegte. Wenn er das Tempo der Knochenreiter richtig
einsch�tzte und die viel langsamere Bewegung der singenden
Menge berechnete, dann mu�ten sie fast unmittelbar vor
ihm zusammentreffen!
Sandini Sammlung
Verzweifelt sah er sich nach einem Versteck um. Es gab
keines. Also kroch er �ber den Erdwall hinweg, pre�te sich
auf seiner anderen Seite gegen den Boden und lauschte einen
Moment lang mit geschlossenen Augen auf das dumpfe
Dr�hnen der n�herkommenden Pferde, das Summen der
326
Menge, das leiser, gleichzeitig aber noch unheimlicher und
bedrohlicher geworden war, und das rasende H�mmern sei-
nes eigenen Herzens. Der rote Feuerschein �bersch�ttete nun
auch den Teil des Walles, auf dem er sich verbarg, mit sei-
nem Licht.
Die Prozession machte tats�chlich fast unmittelbar unter
seinem Versteck halt. Die M�nner, die die Fackeln trugen,
bildeten einen Halbkreis, ein sonderbares Muster aus glim-
menden, roten Teufelsaugen, dessen Bedeutung er nicht ver-
[ Pobierz całość w formacie PDF ]
