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anwesenden Herren, daß sie ein solches meuchlerisches Beginnen nicht auf der Stelle geahndet;
denn es war nur zu offenbar, daß der Hauptmann sogleich, nachdem er geschlagen, den Degen
gezogen und Narzissen von hinten verwundet habe; der Hieb über die Hand war erst geführt worden,
als Narziß selbst zum Degen griff. Ich war unbeschreiblich alteriert und affiziert, oder wie soll ich es
ausdrücken; der Affekt, der im tiefsten Grunde des Herzens ruhte, war auf einmal losgebrochen wie
eine Flamme, welche Luft bekömmt. Und wenn Lust und Freude sehr geschickt sind, die Liebe
zuerst zu erzeugen und im stillen zu nähren, so wird sie, die von Natur herzhaft ist, durch den
Schrecken am leichtesten angetrieben, sich zu entscheiden und zu erklären. Man gab dem
Töchterchen Arznei ein und legte es zu Bette. Mit dem frühesten Morgen eilte mein Vater zu dem
verwundeten Freund, der an einem starken Wundfieber recht krank darniederlag.
Mein Vater sagte mir wenig von dem, was er mit ihm geredet hatte, und suchte mich wegen der
Folgen, die dieser Vorfall haben könnte, zu beruhigen. Es war die Rede, ob man sich mit einer
Abbitte begnügen könne, ob die Sache gerichtlich werden müsse, und was dergleichen mehr war. Ich
kannte meinen Vater zu wohl, als daß ich ihm geglaubt hätte, daß er diese Sache ohne Zweikampf
geendigt zu sehen wünschte; allein ich blieb still, denn ich hatte von meinem Vater früh gelernt, daß
Weiber in solche Händel sich nicht zu mischen hätten. Übrigens schien es nicht, als wenn zwischen
den beiden Freunden etwas vorgefallen wäre, das mich betroffen hätte; doch bald vertraute mein
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Vater den Inhalt seiner weitern Unterredung meiner Mutter. Narziß, sagte er, sei äußerst gerührt von
meinem geleisteten Beistand, habe ihn umarmt, sich für meinen ewigen Schuldner erklärt, bezeigt, er
verlange kein Glück, wenn er es nicht mit mir teilen sollte; er habe sich die Erlaubnis ausgebeten,
ihn als Vater ansehn zu dürfen. Mama sagte mir das alles treulich wieder, hängte aber die
wohlmeinende Erinnerung daran, auf so etwas, das in der ersten Bewegung gesagt worden, dürfe
man so sehr nicht achten. »Ja freilich«, antwortete ich mit angenommener Kälte und fühlte der
Himmel weiß was und wieviel dabei.
Narziß blieb zwei Monate krank, konnte wegen der Wunde an der rechten Hand nicht einmal
schreiben, bezeigte mir aber inzwischen sein Andenken durch die verbindlichste Aufmerksamkeit.
Alle diese mehr als gewöhnlichen Höflichkeiten hielt ich mit dem, was ich von der Mutter erfahren
hatte, zusammen, und beständig war mein Kopf voller Grillen. Die ganze Stadt unterhielt sich von
der Begebenheit. Man sprach mit mir davon in einem besondern Tone, man zog Folgerungen
daraus, die, sosehr ich sie abzulehnen suchte, mir immer sehr nahegingen. Was vorher Tändelei
und Gewohnheit gewesen war, ward nun Ernst und Neigung. Die Unruhe, in der ich lebte, war um
so heftiger, je sorgfältiger ich sie vor allen Menschen zu verbergen suchte. Der Gedanke, ihn zu
verlieren, erschreckte mich, und die Möglichkeit einer nähern Verbindung machte mich zittern. Der
Gedanke des Ehestandes hat für ein halbkluges Mädchen gewiß etwas Schreckhaftes.
Durch diese heftigen Erschütterungen ward ich wieder an mich selbst erinnert. Die bunten Bilder
eines zerstreuten Lebens, die mir sonst Tag und Nacht vor den Augen schwebten, waren auf
einmal weggeblasen. Meine Seele fing wieder an, sich zu regen; allein die sehr unterbrochene
Bekanntschaft mit dem unsichtbaren Freunde war so leicht nicht wiederhergestellt. Wir blieben
noch immer in ziemlicher Entfernung; es war wieder etwas, aber gegen sonst ein großer
Unterschied.
Ein Zweikampf, worin der Hauptmann stark verwundet wurde, war vorüber, ohne daß ich etwas
davon erfahren hatte, und die öffentliche Meinung war in jedem Sinne auf der Seite meines
Geliebten, der endlich wieder auf dem Schauplatze erschien. Vor allen Dingen ließ er sich mit
verbundnem Haupt und eingewickelter Hand in unser Haus tragen. Wie klopfte mir das Herz bei
diesem Besuche! Die ganze Familie war gegenwärtig; es blieb auf beiden Seiten nur bei
allgemeinen Danksagungen und Höflichkeiten; doch fand er Gelegenheit, mir einige geheime
Zeichen seiner Zärtlichkeit zu geben, wodurch meine Unruhe nur zu sehr vermehrt ward. Nachdem
er sich völlig wieder erholt, besuchte er uns den ganzen Winter auf ebendem Fuß wie ehemals, und
bei allen leisen Zeichen von Empfindung und Liebe, die er mir gab, blieb alles unerörtert.
Auf diese Weise ward ich in steter Übung gehalten. Ich konnte mich keinem Menschen vertrauen,
und von Gott war ich zu weit entfernt. Ich hatte diesen während vier wilder Jahre ganz vergessen;
nun dachte ich dann und wann wieder an ihn, aber die Bekanntschaft war erkaltet; es waren nur
Zeremonienvisiten, die ich ihm machte, und da ich überdies, wenn ich vor ihm erschien, immer
schöne Kleider anlegte, meine Tugend, Ehrbarkeit und Vorzüge, die ich vor andern zu haben
glaubte, ihm mit Zufriedenheit vorwies, so schien er mich in dem Schmucke gar nicht zu bemerken.
Ein Höfling würde, wenn sein Fürst, von dem er sein Glück erwartet, sich so gegen ihn betrüge, sehr
beunruhigt werden; mir aber war nicht übel dabei zumute. Ich hatte, was ich brauchte, Gesundheit
und Bequemlichkeit; wollte sich Gott mein Andenken gefallen lassen, so war es gut; wo nicht, so
glaubte ich doch meine Schuldigkeit getan zu haben.
So dachte ich freilich damals nicht von mir; aber es war doch die wahrhafte Gestalt meiner
Seele. Meine Gesinnungen zu ändern und zu reinigen, waren aber auch schon Anstalten gemacht.
Der Frühling kam heran, und Narziß besuchte mich unangemeldet zu einer Zeit, da ich ganz allein
zu Hause war. Nun erschien er als Liebhaber und fragte mich, ob ich ihm mein Herz und, wenn er
eine ehrenvolle, wohlbesoldete Stelle erhielte, auch dereinst meine Hand schenken wollte.
Man hatte ihn zwar in unsre Dienste genommen; allein anfangs hielt man ihn, weil man sich vor [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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